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500 JAHRE SPIELKARTENHERSTELLUNG

IN ALTENBURG

Gerd Matthes
Die Annahme, dass es schon vor der Erfindung des Buchdrucks in Altenburg Kartenmaler oder Kartenmacher gab, lässt sich leider nicht bestätigen. Den Beweis hierfür fand ich in den ausführlichen Beschreibungen über die Kurfürsten von Sachsen - Altenburg. Denn, 1484 veranlasst die Kurfürstin Margarete von Österreich für die Prinzen in Leipzig Spielkarten zukaufen, da diese im hiesigen Land nicht zu haben sind.
Der älteste Hinweis auf einen Altenburger Kartenmacher befindet sich im Heimatmuseum Hohenleuben in Thüringen. (Danken möchte ich an dieser Stelle meinen Sammlerfreund Wilfried Kaschel aus Neubrandenburg, der bei einer Forschungsreise die Spielkarten aufgetan hat.) Im Altenburger Spielkartenmuseum ist eine Kopie dieses Kartenspiels von (Mert)en Hockendorff aus dem Jahr 1509 ausgestellt.   
Der Name dieses Kartenmachers steht am Beginn einer Reihe Kartenmachender Hockendorffs, Heckendorffs, Hauckendorffs und Heuckendorffs die ich in den verschiedensten Archivunterlagen der Jahre 1542 - 1675 gefunden habe. Diese Kartenmacherfamilie lebte mit hoher Wahrscheinlichkeit über vier Generationen in Altenburg. Von 1542 - 1578 hatten die Kartenmacher dieser Familie ihr Zuhause noch vor der Stadt im Dorf Pauritz und besaßen demnach noch kein Altenburger Bürgerrecht. Bei den nachfolgenden Generationen kann man dagegen einen deutlichen sozialen Aufstieg verzeichnen. Sie wohnten schon in der Stadt und besaßen auch das Altenburger Bürgerrecht. Ein Michalel I Hockendorff kauft 1579 ein Haus in der Brüdergasse und 1593 sogar ein Doppelhaus in einer der bedeutendsten Altenburger Straßen, der Burggasse 9 -10. Dieser Kartenmacher scheint es mit seinem Handwerk zu einen erheblichen Reichtum gebracht zu haben, denn er kauft nicht nur dieses große Haus in bester Lage, sondern hinterlegt laut Stadtrechnungen wiederholt Gelder für Verwandte (für des Bruders Sohn). Am 10. Januar 1625 wird dieser Michael I Heckendorff in Leipzig zur Neujahrsmesse aktenkundig. Michael Heckendorff wird von den Leipziger Handwerkern vor dem Rat belangt: "weil er sich unterstanden, die ganze Messe über Karten auszulegen und feilzuhalten, welch beginnen dan Ihrer alhiere heergebrachten gewohnheit ganß zuwieder". Die Kartenmacher baten den Rat dies feilhalten - besonders in der Zahlwoche - zu verbieten. Heckendorff wandte dagegen ein, dass er besonders solche Karten feilbiete, welche die Leipziger Kartenmacher nicht zu führen pflegten, und es entschied der Rat dahin, dass er in der ersten Messwoche allerhand Karten, in der Zahlwoche aber nur "fremde" auslegen dürfte und sich der "hiesigen" Karten, welche "die Einheimischen"  zu führen, zu enthalten habe. 1629 beschwert sich der Kartenmacher Michael I Heckendorff,  dass er sein Haus wegen der Seuche (Pest) räumen soll. Darauf folgend sterben nacheinander fast alle Familienmitglieder. Die Pestepidemie in Altenburg forderte insgesamt 164 Opfer. Die nachfolgende Zeit des Dreißigjährigen Krieges zwang auch in Altenburg viele in den sozialen Abstieg.  Erst 1646 wird wieder ein Kartenmacher der benannten Familie aktenkundig. Er kauft ein Haus, diesmal in der Kesselgasse im Handwerkerviertel Altenburgs. Am 15. März 1678 finde ich den letzten Eintag einer Person dieser Familie in den Altenburger Kirchenbüchern. Es ist die Witwe Maria, Frau des verstorbenen Kartenmachers  Michael II Heckendorf.
Der Kartenmacher Andreas Knoblauch aus Zwickau bittet in einem Schreiben an Herzog Friedrich Wilhelm, um die Erlaubnis, sich in Altenburg als Kartenmacher niederlassen zu dürfen. Er erhält am 21. März 1664 sein Privileg. In der alten Spielkartensammlung (seit 1946 verschollen, siehe Artikel Spielkartenmuseum) gab es einige Blätter von Knoblauch aus dem Jahre 1685. Bis wann Knoblauch  gearbeitet hat ist nicht mehr festzustellen.
Erst im Jahre 1730 wird wieder ein Kartenmacher aktenkundig. Es ist Christian Hoffmann, der aus dem bayreuthischen kommt, und um ein Privileg bittet. Er erhält 1731 folgende Bitte bestätigt: "Privilegium mit dem Verbothsrecht wider mehrere Kartenmacherei in hiesigem Fürstenthum, jedoch daß dene Chramer der Einkauf und Vertrieb auswärtiger gefertigter Karthen nach wie vor frey bleibe".
Im Jahr 1752, als Herzog Friedrich von Sachsen "zur Verhinderung des verderblichen Charten-Spiels" die Einführung der Spielkartensteuer im hiesigen Fürstenthum durchsetzt, wird ein Kartenmacher Namens Gottfried Heinrich Pfeiffer aktenkundig. Dieser hat bereits vorher 12 Jahre in Leipzig gearbeitet. Pfeiffer erhält zur Anschaffung einer Werkstatt einen Vorschuss, und schwört vor dem Rat einen Eid, dass geliehene Geld zur Herstellung von guten Spielkarten zu verwenden.   
Der Vorschuß bey den Charten Macher Gottfried Heinrich Pfeiffern soll bestehen in
10 Tlr. -,,- zur Forme zu Piquet Charten.
10 Tlr. -,,-  zu Scheeren.
  7 Tlr. -,,-  zu einer Preße.
  6 Tlr. -,,-  zu allerhand Werkzeug
33 Tlr. -,,-  darzu werden 4. Wochen dieses anzuschaffen erfordert, nach diesen könnte er in 14. Tagen 12. Dutzend, das Dutzend á 12 grs. -,,- verfertigen. und könnte auch darmit fernre c o n t i n u i ren.
Im Jahre 1800 finde ich einen zweiten Kartenmacher mit Namen Pfeiffer in Altenburg. Es ist Johann Friedrich Pfeiffer, geboren in Halle an der Saale, er arbeitete bis ca. 1792 auch in Leipzig. Pfeiffer wird aktenkundig, weil er verdächtig wenige Spielkarten zur Abstemplung bringt. Ihm wird vorgeworfen, dass er ungestempelte Spielkarten in Schankhäusern in Burkersdorf und Romschütz (Dörfer bei Altenburg) verkauft. Es scheint Pfeiffer nicht besonders gut gegangen sein, denn er versucht immer öfter die Stempelgesetze zu umgehen. Es folgen in den Jahren 1802 - 1816 eine Vielzahl von Vergehen wegen des Verkaufs ungestempelter oder mit
.selbst gefertigten Stempel versehene Spielkarten. Die Strafen die Pfeiffer für seine Vergehen erhält sind sehr hoch. Anfangs belaufen sich die Strafen noch auf einige Taler die jedoch später sogar mit Zuchthaus enden. 1821 wird Pfeiffer wegen verbotenen Hasardspiels und 1832 wiederum wegen des Handels mit ungestempelten Karten, die er auf dem Land an die reichen Altenburger Bauern verkauft, belangt. Wegen des schlechten Gesundheitszustandes wird er nach langem hin und her diesmal nicht mit Zuchthaus bestraft sondern mit einer hohen Geldstrafe. Diese konnte Pfeiffer jedoch nie abzahlen, da er am 03. Januar 1835, 69 jährig an Brustfieber verstorben ist. Zwei Brüder namens Theodor und Wilhelm Kunkely erbitten bereits 1831 um eine Konzession zur Herstellung von deutschen Spielkarten. Einer der Brüder Wilhelm, erlernte das Kartenmacherhandwerk bei seinem Oheim Pfeiffer und arbeitete einige Zeit bei dem Kartenmacher Carl Heinrich Zoelke in Leipzig. Der geringe Umsatzes und die hohen Materialkosten zwangen die Brüder Kunkely schon nach zwei Jahren ihre Spielkartenfertigung einzustellen. Die große Zeit der Altenburger Spielkartenherstellung setzt erst mit dem Beginn der Spielkartenfabrikation durch die Gebrüder Bechstein  im Jahre 1832 ein. Wilhelm Louis Bechstein (1803 - 1888) hatte nach einer Apothekerlehre in der Stadt - und Löwenapotheke und jahrelanger Tätigkeit als Provisor im Jahre 1831 ein eigenes Unternehmen unter dem Firmennamen Chemische Fabrik Wilhelm Louis Bechstein gegründet, in dem er zunächst Tinten und Farben und eigene andere Chemikalien herzustellen begann. Er war es, der die Idee hatte Spielkarten zu produzieren und er war es auch, der das später genehmigte Unternehmen finanzierte. Sein älterer Bruder, Otto Bechstein (1800 - 1859), besaß schon seit einiger Zeit eine kleine Lithographische Kunstanstalt. In dieser arbeitete auch der jüngste der Brüder, Bernhard Bechstein (1810 - 1897) als Lithographengeselle. Das am 16. November 1832 bewilligte Konzessionsgesuch, für die Brüder Otto und Bernhard Bechstein, erlaubte im Gegensatz zu den Kunkely - Brüdern die Herstellung von deutschen und französischen Spielkarten. Der Betrieb, der nun Herzoglich Sächsische Altenburgische Conzessionierte Spielkartenfabrik Gebrüder Bechstein hieß, wurde in dem Haus der Familie Bechstein Hinter der Unterkirche Nr.10 eröffnet. Die Brüder arbeiteten viele Jahre ohne einen Pfennig Gewinn. Grund dafür waren durchreisende Händler, sogar Semmelweiber verkauften nebenher Spielkarten von Kartenmachern aus dem nahe liegenden Städten Weimar, Leipzig und Dresden. Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einem schweren Zerwürfnis zwischen Bernhard und Wilhelm Louis. Letzterer schied 1856 aus der Firma aus. Der älteste Bruder Otto hatte sich schon im Jahre 1852 zurückgezogen, um sich von nun an nur noch seiner Lithographischen Kunstanstalt zu widmen. Im Jahre 1864 versuchte es der ehemalige Kartenmachergeselle Friedrich August Hermann Christ aus der Bechstein´schen Spielkartenfabrik mit einer eigenen Werkstatt. Trotz des Einspruchs von Bernhard Bechstein bekam er seine eigene Konzession. Christ fertigte laut Lagerbestandsliste Nr. 4 aus dem Jahre 1865 vom 1. - 31. Oktober 328 und vom Dezember 1865 - Januar 1866 sogar 780 deutsche Spielkarten. Christ starb Ende 1870 und die Firma wird von dem Kramer Adolf Reuschel weiter geführt.  Der Firmenname war nun: Nadler Adolf Reuschel, vormals Christ´sche Fabrik. Ab Juli 1872 führt der Nadler Carl Reuschel die ehemals Christ´sche Fabrik weiter und fertigt vorwiegend nur deutsche Spielkarten. Laut Lagerliste vom Februar 1873 liegt der Umsatz an Spielkarten bei Reuschel im Vergleich zur Firma Gebrüder Bechstein sehr hoch. Die Firma Reuschel brachte 2.136 deutsche Spielkarten, dagegen die größere Firma Gebrüder Bechstein nur gering mehr, und zwar 2.280 deutsche Spielkarten zur Abstemplung. Reuschel betreibt Ende 1879 laut der Akten nur noch einen Vertrieb mit Spielkarten die er vermutlich bei den mittlerweile neuen Besitzern der Bechstein'sche Spielkartenfabrik kaufte. Zurück zur Firma Bechstein. Nach der Trennung der Brüder hat die Bechstein'sche Spielkartenfabrik unterschiedliche Besitzer. Von 1874 - 1877 Theodor Gutmann aus Wintersdorf, danach übernimmt 1877 - 1886 Artur Pleißner und Hermann Richard Kühne aus Altenburg die Firma. Bis zum Jahre 1886 werden Spielkarten unter dem bekannten Namen Gebrüder Bechstein weiter hergestellt.  Mit der darauf folgenden Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft, die mit nur kurzer Unterbrechung bis zum Jahre 1946 besteht, endet die handwerkliche Herstellung von Spielkarten in Altenburg. Nun werden nach und nach Maschinen gekauft. Der Betrieb wurde aus Gründen der technischen Erweiterung bereits 1882 in die größeren Gebäude in der Wenzelstraße verlegt. Nach der 1890 erfolgten Übernahme der AG in die Hände von Carl Schneider, von 1892 - 1897 sogar in seinem Besitz, firmierte man unter dem Namen  Altenburger Spielkartenfabrik Schneider & Co. Im Zuge der Monopolisierung der Spielkartenindustrie wurde der Betrieb 1897 von der Stralsunder Spielkartenfabrik aufgekauft. Von nun an bis zum Jahre 1931 firmierte man in Altenburg unter dem Namen Vereinigte Stralsunder Spielkarenfabriken AG, Abteilung Altenburg, vormals Scheider & Co. Im Jahre 1926 zog die Firma aus den zu klein gewordenen Gebäuden der Wenzelstraße / Fabrikstraße in die Gebäude der in Konkurs gegangenen Papierfabrik Chromo - AG in der Leipziger Straße um. Es erschien im Jahre 1931 aus ökonomischen Gründen für notwendig, eine Firmensitzverlegung von Stralsund in dem zentral gelegenen Ort Altenburg vorzunehmen. Von nun an hatte die Altenburger Firma erneut einen neuen Namen Vereinigte Altenburger und Stralsunder Spielkartenfabriken AG, Altenburg Thüringen.
Unter diesen Namen wurden weitere deutsche Spielkartenfabriken aufgekauft und somit die Monopolstellung am Markt ausgebaut. Im Mai 1945, nach der Übernahme Thüringens durch die Sowjetischen Truppen, kam es zur Demontage der Altenburger Fabrik. Auf Befehl der SMA (Sowjetischen Militär Administration) wurde die AG (Aktiengesellschaft) zu Gunsten des Landes Thüringen entschädigungslos enteignet. Nach der Löschung der AG aus dem Altenburger Handelsregister im Jahre 1947 wurde die Spielkartenherstellung ab 1948 in dem gleichen Gebäudekomplex in der Leipziger Straße unter dem Namen Altenburger Spielkartenfabrik, Landeseigner Betrieb in bescheidenen Umfang fortgesetzt. Nach unterschiedlicher Zuordnung im Rahmen der DDR - Wirtschaftsorganisation, privatisiert die Treuhandgesellschaft die Altenburger Spielkartenfabrik und verkauft sie an die Firma F. X. Schmid, Vereinigte Münchener Spielkarten-Fabriken GmbH & Co. KG. Anfang 1996 verliert die Altenburger Spielkartenfabrik vor den Bundesgerichtshof einen Namensstreit gegen die Firma ASS Altenburger und Stralsunder Spielkartenfabriken AG, Leinfelden / Echterdingen bei Stuttgart und wird gezwungen ihren Firmennamen zu ändern. Neuer Name: Spielkartenfabrik Altenburg GmbH.
Der Ravensburger Spieleverlag übernimmt im gleichen Jahr die Firma F. X. Schmid und somit auch die Spielkartenfabrik Altenburg. Die Produktionsstätte der Traditionsfirma F. X. Schmid in Prien am Chiemsee wird anschließend aufgelöst und die komplette Fertigung von Spielkarten nach Altenburg verlegt. Im Jahre 1998 übernimmt der Ravensburger Spieleverlag gemeinsam mit der Spielkartenfabrik Altenburg die Firma Berliner Spielkarten GmbH & Cie. KG mit ihrem Vertriebsbüro in Darmstadt und einer Produktionsstätte in Berlin. Auch die Produktion von Berliner Spielkarten wird nach Altenburg verlagert und die beiden Standort geschlossen. Seit 2001 ist die Integration der Marke Berliner Spielkarten mit den zusätzlichen Produktfeldern Spiele und Puzzle in die Spielkartenfabrik Altenburg GmbH abgeschlossen. Der internationale Spielkartenhersteller Cartamundi mit Hauptsitz in Turnhout, Belgien, zu deren Firmengruppe bereits die ASS Spielkartenverlag GmbH gehört, übernimmt von der Ravensburger Gruppe 2002 die Spielkartenfabrik Altenburg GmbH. Damit werden die seit 1946 auf Grund der Nachkriegsergebnisse getrennten Firmen ASS und Altenburger unter einem Unternehmensverbund wieder zusammengeführt.
Es entsteht die neue Marke ASS Altenburger. 

ASS Altenburger Spielkarten